Dienstag, August 25, 2020

Emotion und Gestalt

... wie Heilerziehungspfleger Klienten mit mittelgradiger Intelligenzminderung unterstützen können, sich einerseits mit ihrer gesamten Vielfalt an Gefühlen selbst anzunehmen und andererseits die Fähigkeit zu entwickeln, ihr Verhalten so zu steuern, dass sie mit ihrem sozialen Umfeld in einen befriedigenden Austausch treten können.

Ich möchte zeigen, dass die Basis zur Förderung der Emotionsregulation eine dialogische Haltung ist, die mit dem Bemühen des Heilerziehungspflegers um eine empathische Beziehung zu seinem Klienten einhergeht.

Anhand einer Fördereinheit mit Emotionskarten möchte ich veranschaulichen, wie die theoretischen Grundlagen in der Praxis methodisch umsetzbar sind.

Die dialogische Haltung ist kennzeichnend für eine bedeutende Richtung der Gestalttherapie (Ostküstenstil) und beinhaltet, jede Person als selbständiges Wesen zu behandeln und nicht als Mittel zum Zweck.

Die Gestalttherapie ist eine der beiden Hauptvertreterinnen der humanistischen Psychotherapie. Die Gestaltpädagogik, die sich ab den 1970er Jahren entwickelte, bezieht ihre Handlungskonzepte, Grundannahmen und Begriffe aus der Gestalttherapie.

Da das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und somit auch die Sozialgesetzgebung, auf humanistischen Werten aufbaut, sollte humanistischen Konzepten im Umgang mit behinderten Menschen in Deutschland meiner Ansicht nach einen noch höheren Stellenwert eingeräumt werden, als dies in der Praxis meiner Erfahrung nach im Moment noch der Fall ist.

Eine meiner Bestrebungen ist es, mich damit auseinander zu setzen, ob und wie der Gestalt-Ansatz in der Heilerziehungspflege realisiert werden kann.

Förderung der Gefühlsregulation von Menschen mit mittelgradiger Intelligenzminderung anhand der Arbeit mit Emotionskarten

Akademische Arbeit, 2020, 38 Seiten,

dort auch

Astrid Niehues (Autor), 2010, Sexualität und geistige Behinderung? Selbstbestimmung und sexualpädagogische Intervention im Wohnheim, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/320259

Unsichtbares Theater

www.archiv-datp.de/worterbuch-unsichtbares-theater überarbeiten:

Unsichtbares Theater

→ Inszenierung und eine vorgestellte Realität, die von Außenstehenden nicht als Theater erkannt wird: 

Thorau, Henry Unsichtbares Theater 2013

Der Anspruch der Freireschen Bewusstseinsbildung beim Publikum soll durch das Erlebnis einer Szene ausgelöst werden, die in einer Alltagssituation als allgemeiner Vorfall erlebt wird: 

Das Gespräch mit dem Gemüsehändler über die steigenden Preise führt zu einer öffentlichen Diskussion über Regierungen und Bereicherungen; 

im Foyer des Opernhauses kippt ein Mann ohnmächtig um, seine Begleitung thematisiert Hunger, Armut und für wen die Oper eigentlich da ist; 

ein Gast in einem feinen Restaurant bittet, die Rechnung an die Regierung zu schicken, die versprochen hat, dass sich jeder satt essen darf, der Streit wird lautstark.

Als Unsichtbares Theater bezeichnen wir eine gründlich vorbereitete Szene, die einem Publikum vorgestellt wird, das nichts von der Inszenierung weiß, aber auf die erzeugte Wirklichkeit reagieren kann.

In der Entstehung der politisch eingreifenden Methoden des → Theaters der Unterdrückten (TdU) im oft aussichtslos erscheinenden Kampf gegen die von den US/CIA (vgl. Hitchens) eingerichteten südamerikanischen Militärdiktaturen kamen Theaterleute zwischen Zensur und Einschüchterung oft an ihre Grenzen. 

In den intensiven Studien der Methoden um Brecht sind sie wohl auch auf  die Geschichten der kommunistischen Theatergruppen in der Weimarer Republik gestoßen, die in ihrer Verfolgung schon zu unsichtbaren Methoden politischer Arbeit gegriffen haben.

Vor allem in Situationen der Zensur, die sogar antike griechische Autoren betreffen konnten, wurde vielen damaligen Schauspiel-Ensembles deutlich, dass sie im Theater nur noch sehr begrenzte Botschaften vermitteln konnten, was dann zudem noch dazu führte, dass sich verängstigte Menschen nicht mehr in diese kritischen Arenen wagten.

„Wenn das Publikum nicht mehr zu uns kommen kann, müssen wir zu ihm gehen“, schlussfolgert Augusto → Boal  (alle  nicht  nachgewiesenen  Boal-Zitate  sind Äußerungen Boals in Seminaren seit 1981, notiert v. Verf.), der das UT als ein wichtiges Glied in der Entwicklung der Methodenreihe des TdU sieht, zu denen nach → Statuentheater und → Forumtheater nun zuletzt auch das → Legislative Theater gehören.

In den heutigen Anwendungssituationen, in denen Unterdrückungsmechanismen meist sehr viel verdeckter ablaufen, brauchen wir auch tiefgehende Vorbereitungsschritte, um den wirklichen Themen, Tabus, Mythen und Mechanismen auf die Spur zu  kommen.

Wie die meisten Szenen-Entwicklungen im Methodenkanon des TdU beginnt die Arbeit immer mit dem Entwurf aus den generativen Themen der Teilnehmenden, die an einem eigenen Anliegen aus einem Beispiel tatsächlich erlebter Unterdrückung/Druck ansetzen soll, da konstruierte und theoretisch nachgespielte Situationen meist nicht genügend Kraft und Treffsicherheit bekommen.

Der theaterpädagogische Einstieg kann leicht mit Boals Statuentheater gestaltet werden, mit solchen Proben-Techniken wird zu Forum-Szenen gekommen, um (interne) Varianten der Veränderung zu entwickeln und im Thema Sicherheit zu gewinnen. 

Für eine unsichtbare Inszenierung wird dann eine Situation vorbereitet, die Aufsehen oder Reaktionen erregt, aber auch die Rollen von Passanten, die beobachten oder eingreifen, nötigenfalls Provokationen einbringen, werden geübt. 

Einer Aufführung muss eine Ortsbesichtigung vorausgehen, am besten zu einer der Aufführung/,Inszenierung‘ entsprechenden Zeit, um die Verhaltensweisen des Publikums zu beobachten. Eventualitäten der ,schlimmsten Art‘ sind zu entwerfen, wie z. B. auf Interventionen von Polizei und Selbstverteidigern zu reagieren ist, um die Situation für alle Beteiligten gesichert aufzulösen, 

bis zum Rückweg zum Auswertungstreffen, in dem nicht nur die verschiedenen Erlebnisse und der allgemeine Erfolg ausgetauscht werden sollten, sondern auch ein kritischer Vergleich mit einer offenen Forum-Szene angebracht ist.

Das Ziel einer Inszenierung eines Unichtbaren Theaters wird oft nicht klar umrissen, ist aber für fundierte Arbeit wichtig: Soll es nur → Spaß machen, was bei vielen die Nähe oder Assoziation mit ,Vorsicht Kamera‘ (,Leute verarschen‘), auslöst, soll anderen damit eine Lehre erteilt werden oder geht es um einen Impuls zur Entwicklung von Eigenkraft/Autonomie? 

Geht es darum, eigene Grenzen zu erproben, tatsächlich die Tiefe eines Themas, der Tabus und der möglichen Veränderung auszuloten oder soll ein Gegner bloßgestellt werden, statt ihn als Ansprechpartner in den → Dialog zu holen?

Unter den KollegInnen gibt es verschiedene Haltungen, ob eine Auflösung der unsichtbaren Inszenierung mit den Passanten erfolgen sollte. Ich kenne, vor allem aus Situationen, die innerhalb einer → Gruppe inszeniert waren, sehr erzürnte Kontroversen, die zwischen betrogenen Gefühlen und ungläubigem Staunen wenig Austausch ermöglichten, und auch die Argumentationen von Theologen, etwa dass diese Methode unzulässig sei. 

Boal argumentiert dagegen, dass wir eine Wirklichkeit, die ja auch wirklich so an anderem Ort existiert, zu Zwecken der Bearbeitung und Erforschung der eigenen Anteile und Reaktionen abbilden, also nicht beliebig erfinden. 

Ähnlich argumentiert die soziologische Aktionsforschung, können auch Arbeiten an tabuisierten Themen begründet werden: zu untersuchen, wie Menschen – oft entgegen ihrer geäußerten Meinung – tatsächlich reagieren.

In der theaterpädagogischen Aus- und Fortbildung steht das besondere Erleben im Vordergrund, in dem die Beteiligten den Unterschied ihrer Vorstellung vom Verlauf und von den Reaktionen der Passanten mit der Situation ihrer eigenen Rolle und Spielsicherheit in Zusammenhang bringen: 

die Verschiedenartigkeit der Wahrnehmung, aber auch die Situation, dass es gar nicht möglich ist, aus einer unsichtbaren Rolle zu fallen, ohne sich in verwirrende Widersprüche zu verwickeln – ein Vorgriff und Beispiel zur Theorie von Dekonstruktion und Konstruktion unserer Wirklichkeiten, Identitäten, Wahrnehmungen.

Autonome A.F.R.I.K.A-Gruppe (Hg.): Handbuch der Kommunikationsguerilla. Hamburg, Göttingen 1997; 

Boal, Augusto: Theater der Unterdrückten. Übungen und Spiele für Schauspieler und Nicht-Schauspieler. Frankfurt a. M. 1989; 

Ders.: Legislative theatre, using performance to make politics Routlegde. London, New York 1998; 

Ders.: Der Regenbogen der Wünsche. Methoden aus Theater und Therapie. Seelze 1999; 

Hitchens, Christopher: Die Akte Henry Kissinger. In: Lettre International, 2001, H. 53; 

Letsch, Fritz: Theater macht Politik. Die Methoden des Theater der Unterdrückten in der Bildungsarbeit. Gautinger Protokolle im Institut für Jugendarbeit des BJR, Germeringerstr. 30, 82131 Gauting; 

Ruping, Bernd (Hg.): Gebraucht das Theater. Die Vorschläge von Augusto Boal – Erfahrungen, Varianten, Kritik. Lingen, Remscheid 1991; 

Wiegand, Helmut: Die Entwicklung des Theaters der Unterdrückten seit Beginn der achtziger Jahre. Stuttgart 1999. 

http://de.groups.yahoo.com/group/unsichtbaresTheater

www.institutgauting.de www.joker-netz.de

www.archiv-datp.de/worterbuch-unsichtbares-theater

 

Unsichtbares Theater findet im öffentlichen Raum statt vor Zuschauern, die nicht wissen, daß sie Zuschauer sind.

Der Name des Brasilianers Augusto Boal (1931–2009), Begründer des Theaters der Unterdrückten, ist unmittelbar mit diesem subversiven Instrument politischer Aufklärung verbunden.

Das Buch schildert die Geschichte und Entwicklung des Unsichtbaren Theaters, stellt das von Augusto Boal entworfene theoretische Konzept vor und behandelt die Weiterentwicklung und Anwendung in neuester Zeit.

Der Praxisteil bietet eine Anleitung zur Inszenierung von Unsichtbarem Theater und dokumentiert Beispiele »unsichtbarer« Theateraktionen im öffentlichen Raum.

»Unterdrückung gibt es nicht nur in Diktaturstaaten – Unsichtbares Theater kann sie entlarven helfen.« Augusto Boal